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Die Kutte


"Die letzten Kutten-Träger erzählen"
Quelle: RP-Online
Die mit Aufnähern übersäten Jeanswesten waren früher das Symbol richtiger Fans, heute ist es das Trikot. Es gibt nur noch wenige, die im Stadion Kutte tragen. Zwei Fans erzählen, was ihnen dieses Kleidungsstück bedeutet.
Bastiaan Hoogesteger hat noch eine. Ralf Adam auch. Er hat seine Kutte sogar mitgebracht ins Trainingslager der Borussen nach Rottach-Egern. "Ich trage meine Kutte bei allen Spielen der Profis", sagt "Ralle" Adam (44). Zuletzt also beim 0:1 der Gladbacher beim Testspiel in Ingolstadt. "Die Kutte", definiert Hoogesteger, der in der Fanszene nur "Ruud" heißt, "ist eine Jeansweste, die mit Aufnähern übersät ist". Er und Adam werden melancholisch, wenn sie über ihren Kutten sprechen. Denn: "Die Kutte stirbt leider aus", sagen sie.
Nur noch wenige Fans tragen im Stadion diesen speziellen Look, der früher das Bild einer Kurve bestimmte. "Es waren 30 bis 40 Prozent der Fans in der Nordkurve auf dem Bökelberg, die eine Kutte trugen", sagt Hoogesteger. Die Kutte stammt aus einer Zeit, als der Fußball noch nicht total kommerzialisiert war und es keine Fanshops gab so groß wie Harrods. "Die Fans mussten damals kreativ sein", sagt Hoogesteger. Jeder Fanklub hatte seinen Aufnäher. "Heute gibt es eher Stics", sagt er.
Die Kutte ist mehr als nur ein Kleidungsstück für ihren Besitzer. Sie ist eine zweite Haut im Fußballstadion, ein Stück Identifikation. Sie wächst mit ihrem Besitzer auf, mehr und mehr Näher kommen darauf. Ursprünglich bezeichnet der Begriff "Kutte" ein Mönchsgewand. In der Motorrad-Szene definieren die Westen die Zugehörigkeit zu einem Klub. So ist es auch im Fußball. "Ralle" Adams Kutte hat natürlich eine einzelne Raute aufgenäht, rechts zwar, aber in Höhe des Herzens. "Eine richtige Kutte ist der Spiegel eines Fan-Lebens", sagt Adam.
"Heute sind es vor allem ältere Fans, die eine Kutte tragen", weiß Hoogesteger, der wie Adam zum Präsidium des Fanprojekts gehört. Fans ab 40 Jahren aufwärts, schätzt er. Der Nachwuchs trägt nicht Kutte, sondern Trikot. "Den Aufwand mit einer Kutte machen sich die Leute heute nicht mehr. Früher war die Kutte das Symbol für den richtigen Fan, heute ist das Trikot das Symbol geworden", weiß Adam.
Ruud Hoogesteger ist für die Fanartikel des Fanprojekts zuständig. Am Tegernsee können die mitgereisten Borussen-Freunde die Devotionalien kaufen, die das Projekt anbietet. Die T-Shirts mit den Aufdrucken "Borussias Fans - keiner wie wir" und "Tradition seit Neunzehnhundert" gehen derzeit besonders gut. Neben T-Shirts und Schals gibt es Allerlei. "Aufnäher", sagt er, "werden aber kaum noch gekauft. Wenn einer sich einen Aufnäher kauft, dann eher, um ihn auf ein Sweatshirt zu nähen", weiß Hoogesteger.
Hoogesteger gesteht, dass er seine Weste schon lange nicht mehr getragen hat. Mehr als 50 Aufnäher sind darauf, erzählt er, darunter auch einige "Anti-Näher". Was Botschaften angeht, waren die Borussen-Fans schon immer sehr kreativ, das zeigt Ralf Adams Kutte. Darauf findet der geneigte Betrachter vor allem Aufnäher vieler Fanclubs. Auf der Kutte gibt es aber auch politische Botschaften. "Ich bin Borussia-Fan. Gegen Rassismus und Nazis" ist auf einen Näher gestickt. Ein anderer drückt die Antipathie des Kuttenträgers gegen den FC Bayern und Borussia Dortmund aus. Über dem Herzen trägt Adam einen Näher, der die Fanfreundschaft zum FC Liverpool symbolisiert. Fakt ist: Wer Kutte trägt, der ist bunt.
Ralf Adam wird morgen, wenn Borussia in Grassau gegen den 1. FC Nürnberg testet, wieder seine Kutte tragen. "Wir haben schon viel zusammen erlebt", sagt er und grinst. Und Ruud Hoogesteger wird seine Kutte vielleicht auch bald mal wieder rauskramen. "Es ist wirklich schade, dass die Kutte aus der Mode gekommen ist", sagt er.

Kuttenträger - Eine besondere Spezies
Quelle: Frankfurter Neue Presse
Früher, in den 70er und frühen 80er Jahren, prägten sie das Bild in der Fankurve. Heute sind sie dort nur noch mit ein paar Dutzend vertreten, vor allem bei Traditionsvereinen. Doch die kleine Szene der Kuttenfans erlebt einen Aufschwung.

Traugott Heinl geht seit über einem halben Jahrhundert zur Frankfurter . Er ist gewissermaßen ein Kind der Bundesliga, hat viel Freud und Leid erlebt auf den Rängen des Waldstadions und sonst wo beim Fußball in der Bundesrepublik, wenn elf Männer mit dem Adler auf dem Trikot kickten. Seine Zuneigung zur SGE drückt der 65-Jährige nicht nur durch regelmäßigen Stadionbesuch aus, sondern auch mit einer Jacke, deren Rückseite ein großer Eintracht-Adler ziert. Viele Fans gibt es nicht mehr, die Kutte tragen. Heinl ist jedenfalls stolz darauf, einer von ihnen zu sein.
Vor dem letzten Heimspiel am vergangenen Samstag gegen den Hamburger SV hatte der gebürtige Sachsenhäuser ein Treffen organisiert. Alle Frankfurter Kuttenträger waren eingeladen, auch Hamburger durften sich noch dazugesellen. 54 Eintracht-Kutten stünden auf seiner Liste, sagt Heinl. Alle haben den Aufruf zwar nicht befolgt, doch mit der Resonanz war er zufrieden. „Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin!“ und „Schon wieder im Finale, SGE!“, stimmten sich die 25 Kuttenfans vor der Waldtribüne nahe des Eintracht-Museums ein.
„Ich wollte unbedingt so ein Treffen machen, um die Gemeinsamkeit zu dokumentieren“, sagt Heinl. Weitere Treffen, etwa ein- oder zweimal jährlich, seien gewünscht. „Man weiß ja nicht, was in zehn Jahren ist“, sagt Heinl.
Der stark sonnengebräunte Mittsechziger hat eben reichlich Erfahrung. In der Hochzeit der Subkultur Kuttenfans, in den 70ern und 80ern, trug er die Fanweste. Dann legte er sie für eine Weile ab, um dann seit einigen Jahren wieder Kutte zu zeigen. „Leute, die Kutte tragen, haben ein anderes Verhältnis zum Verein – ein innigeres“, meint Heinl. Die Aufnäher, manche haben 20 bis 30 auf der Jacke, wurden selber drangemacht. „In früheren Zeiten“, gibt Siggi Kasteleiner, Mitarbeiter des Fanmagazins „Fan geht vor“, zu, „hat die Mutter auch mal geholfen.“ Einst im Block G hatten viele SGE-Fans eine Kutte an, besonders welche von den dominierenden Fanclubs.
Doch mit dem Aufkommen eines neuen Fanstils – eingeführt aus England – verloren die Kutten an Bedeutung. Der gewaltbereite Teil zog sich nun Bomberjacke und Jogginghose an, der weit größere friedlichere setzte auf eigene Fanklubkollektionen. Später, in den 90ern, entstand die Ultra-Bewegung. Sie etablierte sich Ende der 90er als führende Subkultur in der Kurve – und gibt auch heutzutage dort noch den Ton an. Nicht nur generationsbedingt bestehen erhebliche Unterschiede zu den Kuttenfans. „Die Ultra-Mode ist eher spärlich“, sagt Kasteleiner. Man trägt mehrheitlich schwarz und nicht bunt. Doch Probleme gebe es nicht, sagt Heinl, der das Epizentrum des Supports im Stadion gewiss nicht meidet. „Ich bin oft im 40er-Block. Da gibt es keine Reibereien mit den Ultras. Wir Kuttenträger üben eine gewisse Faszination auf die anderen aus. Man hat zwar nicht so viel miteinander zu tun, aber man respektiert sich“, führt er aus.
Gewalt geht von den Kuttenfans keine (mehr) aus. „Heute sind wir Exoten. Was sollen wir mit 50 Mann schon groß reißen“, fragt Heinl süffisant. Vor Beginn des Hooliganismus in Deutschland waren Teile der Kuttenfans noch gewaltbereit. Aus diesen ging auch die Adlerfront hervor, die sich 1982 gegründet hatte. Beim letzten Bundesliga-Saisonspiel morgen bei Schalke 04 wird Traugott Heinl wieder in der (Auswärts-)Fankurve sein. Selbstverständlich auch eine Woche später in Berlin. Und seine Kutte wird er dann wieder tragen.

Kutte (Fußballfan)
Quelle: Wikipädia
Unter dem Begriff Kutte versteht man eine von Fußballfans getragene Weste, die meist mit Aufnähern des geliebten Vereins oder auch mit Hassbekundungen gegen gegnerische Vereine bestickt ist. In den meisten Fällen ist die Kutte aus blauem Jeansstoff. Manchmal handelt es sich um "echte" Jeanswesten, manchmal auch um Jeansjacken, deren Ärmel herausgetrennt werden.
Dabei wird häufig nicht nur das Kleidungsstück, sondern auch der kuttentragende Anhänger mit diesem Begriff bezeichnet, vgl. pars pro toto. In Frankreich wird der mit den diversesten Devotionalien "seines" Vereins wie Vereinstrikot und oft mehreren Schals ausgestattete Fußballfan Mastre genannt. Eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen den deutschen und französischen Fanszenen besteht hinsichtlich der Ablehnung dieses Fantypus seitens bestimmter Teile der Ultrà-Bewegung der jeweiligen Vereine, die auf der angeblich häufig fehlenden Sangesfreude basiert und dem Begriff somit oftmals eine negative Konnotation verleiht. Auf der anderen Seite gelten "Kutten" auch als Symbol der "guten alten Zeit" des Fußballs. Die Anzahl der "Kuttenträger" im Stadion wird weniger. Kuttenträger sind üblicherweise etwas älter als die Mitglieder der Ultra-Bewegung und gehen schon länger ins Stadion.
Fan-Kutten sollten jedoch nicht mit den von Heavy Metal-Anhängern (Metal-Kutte) oder Motorradfahrern (Motorrad-Kutte) getragenen Kutten verwechselt werden. Im Gegensatz zu den anderen beiden Gruppen gibt es bei Kutten von Fußballfans kein "Verbot", diese zu waschen. Das Nicht-Waschen der Kutte hat eher praktische Gründe (z. B. aufgesteckte Pins, angenähte Fransen).